Gruppe Fingers of Thomas

Dem Teufel keine Chance geben

In einem offenen Pavillon vor der so genannten Regiments-Kirche der Pfarrei St. Charles Lwanga hat sich mit dem Afrikamissionar Pater Bernhard Udelhoven eine Gruppe von einem Dutzend meist jüngeren Frauen und Männern versammelt. Die Gruppe nennt sich „Fingers of
Thomas“, Thomasfinger, nach dem Vorbild des zweifelnden Apostels, der seine Hand erst in die Wunde Jesu legen wollte, um dann zu glauben.


Feierabendverkehr rauscht auf der Chitukuko Road an der Regimentskirche in Lusaka vorbei. Vom Pfarrsaal herüber klingt der Gesang des Kirchenchors, der zur gleichen Zeit seine wö-chentliche Übungsstunde abhält. Eine in graue Kutten gekleidete Gebetsgruppe zieht in Prozession vorbei und betet den Rosenkranz. Vor dem Eingang der Kirche verabschieden sich ein Dutzend vornehm gekleideter Leute voneinander, steigen in ihre Autos und fahren nacheinander davon. Etwas von der Vielfalt des sambischen Katholizismus scheint an diesem Abend auf dem Gelände rund um die Pfarrkirche präsent zu sein. Es wird schon dunkel, als die Gruppe „Fingers of Thomas“ ihre Bibellesung beendet. Jedes ihrer Treffen beginnt mit der Betrachtung eines Textes aus der Heiligen Schrift. Danach berichten die einzelnen Mitlieder, was sie in der vergangenen Woche unternommen haben, oder was ihnen an besonderem in ihrer Tätigkeit begegnet ist.
Seit 2007 gibt es diese Gruppe, die sich mit einem drängenden Thema vieler Sambier befasst, mit dem „Satanismus“. In den Städten Sambias ist Satanismus für viele Menschen, besonders Schüler und Studenten, ein beunruhigendes Problem. Hexerei und Satanismus sind weit verbreitet. Dabei geht es um Glauben und Erfahrungen, die oft mit geheimnisvollen spirituellen Ebenen zu tun haben, mit psychologischen Dimensionen und geheimen Praktiken, die anderen Angst machen und denen gegenüber sich viele Menschen als machtlos empfinden.

Wichtige Fragen
„Es gibt Leute, die erzählen sogar vor laufender Kamera, dass sie Satanisten sind oder waren und welche Macht sie da hatten.“ Pater Bernhard Udelhoven erinnert sich an ein Wochenendseminar, um das ihn der Pfarrer der Regiment-Pfarrei von Lusaka gebeten hatte. Auch eine Satanistin war eingeladen worden. Die sprach dort über ihre Erfahrung. Dazu meint Pater Udelhoven: „Ich will gar nicht bestreiten, dass die junge Frau bestimmte Dinge gesehen oder erfahren hat. Doch während ihres Vortrags, habe ich mich gefragt, ob es nicht gut wäre, wenn wir so einen ,zweifelnden Thomas’ hätten.“ Anderen, mit denen er später die Gruppe „Fingers of Thomas“ gegründet hat, ging es ähnlich. Die Frau hatte in aller Öffentlichkeit erzählt, sie habe 200 Leute umgebracht. Warum war die Frau dann nicht im Gefängnis? Wer waren die Leute, die sie angeblich dem Teufel geopfert hatte? Waren die Ereignisse in ihrer Familie tatsächlich so gewesen, wie sie das öffentlich erzählte?

Was ist Realität?
Pater Udelhoven kam mit einigen jungen Leuten überein, doch einmal direkt nachzufragen. Sie haben dann ein ganz anderes Bild bekommen. Was die Familie wusste und berichtete und was die Frau erzählt hatte, stimmte gar nicht überein. Aber Zweifel oder Infragestellen sind nicht das Ziel der Gruppe „Fingers of Thomas“. Wichtig ist ihr die Frage der Unterscheidung: Was ist eine innere Erfahrung des Einzelnen aus seiner Welt und was ist eine Erfahrung, die andere teilen können.
Pater Udelhoven führt ein Beispiel an: „Jemand erzählt, sie sei in den Indischen Ozean gegangen, um den Teufel dort anzubeten. Das ist vielleicht eine eigene innere Erfahrung. Äußerlich war die Person aber zu Hause. Da fangen wir also mit der Unterscheidung an, was äußerlich und was innerlich ist. Was innerlich ist werden wir nie als falsch oder als gelogen beurteilen. Es ist eine persönliche Erfahrung, die wir ernst nehmen. Wir sagen, das ist etwas für das Gebet. Aber das Äußerliche kann man angehen. Wenn jemand äußerlich einem anderen etwas tut, wie einen Menschen opfern, das wäre ein Mordfall. Dafür müsste sich jemand vor Gericht verantworten. Mordfälle haben wir nie gefunden. Aber die äußeren Beobachtungen anderer helfen, den von Satanismus befallenen einen Ausweg zu zeigen. Was in der inneren Welt geschieht, kann man nicht objektiv angehen. Da setzen wir mit dem Gebet ein. Wir sagen nie, das ist der Teufel, ein Geist oder Hexerei oder Satanismus. Wir reden davon nicht. Wir sagen, da ist etwas. Gott weiß, was es ist, aber wir nicht. Wir beten mit ihnen darüber.“

Spiel mit der Angst
Die „Fingers of Thomas“ sind anders als Gruppen der charismatischen Erneuerung oder der Pfingstkirchen. Sie erheben nicht den Anspruch genau zu wissen, was da los ist oder was das für Geister sind. Bei der Charismatischen Erneuerung und den Pfingstkirchen gibt sich ein Leiter oder ein Pastor meist absolut sicher und sagt beispielsweise: „Das sind Geister vom Ozean. Das sind Geister von Prostitution und Geister von Homosexualität, Geister, die die Ehen zerstören wollen.“ Oder es wird gesagt: „Die Familie ist die Ursache“. So vertiefen sie oft noch die Angst vieler Menschen.

Ein anderer Ansatz
Die „Fingers of Thomas“ verhalten sich da sehr agnostisch. Sie sagen, „da ist etwas, aber wir wissen nicht, was es ist. Aber wir nehmen es so ernst, wie die Leute es sagen.“ Es gibt ja auch Berichte von biblischen Erfahrungen: Zum Beispiel sieht Stefanus Jesus zur Rechten Gottes stehen, wo andere nur Wolken gesehen haben. Die innere Erfahrung ist wichtig und auch gut, aber damit kann man nicht öffentlich argumentieren. Dieser Ansatz über das objektive Äußere hilft den betroffenen Familien sehr. Ihnen wird die Angst genommen. Mit dieser einfachen Unterscheidung von Innen und Außen können die Leute umgehen.
Die Mitglieder der Gruppe „Fingers of Thomas“ sind meist jüngere Leute aus der ehemaligen Jugendgruppe von der Regiment-Pfarrei. Anfangsschwierigkeiten gab es, weil die Jugendlichen den Satanismus-Geschichten gegenüber sehr gläubig waren. Sie kamen erst nach und nach dazu, keine Angst mehr zu haben. Sie gingen die Satanisten besuchen, haben die Familien interviewt und als sie dann drei oder vier Zeugnisse gehört hatten, war alle Angst weg. Die Charismatiker sagten ihnen, sie müssten erst beten und beichten bevor sie zu Satanisten gehen. Aber sie gingen einfach. Je mehr sie sich damit beschäftigt hatten, desto weniger Angst hatten sie. Es kamen auch Leute zur Gruppe hinzu, die selbst einmal psychisch krank gewesen waren. Sie suchten etwas anderes als die Angstmethode der Pfingstkirchen und haben das bei den „Fingers of Thomas“ gefunden. Man muss nicht alles verteufeln, Menschen dürfen auch mal krank sein, ohne dass es ein Geist oder der Teufel ist, der das bewirkt hat. Diese Leute helfen anderen, die inneren Erfahrungen zwar ernst zu nehmen, aber die Dinge nicht zu objektivieren.

Eine starke Gemeinschaft
Regelmäßig kommen etwa zehn Leute zu den Gruppentreffen, manchmal mehr, manchmal weniger. Jedes Jahr gehen aus der Gruppe etwa fünf Leute weg, weil sie in einer anderen Stadt Arbeit gefunden haben, und fünf neue kommen dazu. Die meist jungen Leute müssen sich Arbeit suchen. Sie sind alle sehr dynamisch und intelligent, finden auch sehr schnell eine Arbeit, doch oft nicht vor Ort. Alle, die bei den „Fingers of Thomas“ mitgemacht haben, fühlen sich zugehörig, auch wenn sie heute in Livingstone leben oder in anderen Städten sind. Wenn sie nach Lusaka kommen, nehmen sie auch am Treffen der Gruppe teil. hbs