Missionar und Wandersmann

P. Franz Pfaff

Ich bin unter meinen Mitbrüdern bekannt als Wandersmann, war aber nie Mitglied eines Wanderclubs. Wie kommt das?
Ich war als Durchschnitts-Weißer Vater vierzig Jahre tätig in Uganda. In den letzten Jahren dort wurde ich immer sehr respektvoll "Opa" tituliert. Das kam mir komisch vor. Aber ich sah, dass eine stattliche Zahl junger afrikanischer Priester herangewachsen war, mit welchen ich nicht mehr Schritt halten konnte. So zog ich mich zurück nach Deutschland. Als ich nach 8 Stunden Flug in Stuttgart landete, titulierten mich alle Leute: "He, du junger Spunt, bist Du auch wieder da?" Ich fühlte mich, als wäre ich durch die Altweibermühle in Tripsdrill getrieben worden. Nun gut, mit meiner neu gewonnenen Jugend wollte ich dann etwas machen. So wanderte ich nach Santiago de Compostella von der Haustür vom Missionshaus in Haigerloch. Ich startete am 1. Mai 2006 und kam am 28. Juli gleichen Jahres in Santiago an. Seither fand ich Geschmack am Wandern und wanderte in vier mal zwei Wochen von Haigerloch nach Rom. Und ich habe vor, noch andere Wanderungen zu machen.

In Vorbereitung auf die Wanderung nach Santiago wurde ich ermutigt durch eine Ordensschwester in Bad Imnau. Sie gab mir einen Artikel, der photokopiert war vom Heimatgeschichtsbuch, geschrieben von Franz Xaver Hodler: "Geschichte des Oberamtes Haigerloch". Der Artikel erzählte von einem Haigerlocher, der im Mittelalter nach Santiago pilgerte. Unterwegs traf er den Sohn eines bayrischen Grafen. Sie verstanden sich gut und pilgerten zusammen. Aber kurz vor Santiago wurde der Grafensohn krank und starb. Der Haigerlocher packte dann den Leichnam auf einen Esel und transportierte ihn zur Kathedrale von Santiago und ließ ihn dort aufbahren. Am Morgen, als die Mönche die Laudes sangen, erwachte der Grafensohn wieder zum Leben. Er stand von der Bahre auf und sang mit. Alle freuten sich sehr. Der Haigerlocher begleitete dann den Grafensohn zurück nach Bayern und die Eltern waren hocherfreut über die guten Dienste des Haigerlochers. Und seitdem ist Freundschaft zwischen der Grafenfamilie und dem einen Schwab.

Diese Geschichte ist sicherlich eine fromme Legende. Der Jakobsweg mit seiner mehr als tausendjährigen Geschichte bietet natürlich viel Stoff für Legenden. Aber was mir passiert ist, sieht auch ein bisschen legendär aus. Ich begann meine Wanderung allein. Aber als ich in Santiago anlangte, waren wir eine Pilgergruppe von fünf Leuten: eine deutsche Pastoralreferentin, ein französischer Arzneiforscher, eine französische Physiotherapeutin, ein Schweizer Baumpfleger und ich.

Wie kam der Baumpfleger zu meiner Gruppe? Ich pilgerte schon über eine Woche zusammen mit dem französischen Forscher. Da kamen wir in der Herberge von Aire sur l´Adour an. Im Schlafsaal war schon ein Pilger. Wir grüßten ihn, aber er wandte den Kopf mürrisch zur Seite. Wir ließen ihn dann in Ruhe und gingen duschen und bereiteten uns aufs Abendessen in einem nahe gelegenen Restaurant vor. Als wir bei Tisch saßen, kam der mürrische Schweizer und setzte sich zu uns. Das Gespräch entwickelte sich schnell. Seine miese Stimmung war gekommen, weil der Geldautomat ihm kein Geld mehr gab seit ein paar Tagen und eigentlich sein Konto gut gefüllt war mit Guthaben. Eine Amerikanerin hatte ihm 100 Dollar vorgestreckt mit der Vereinbarung, dass wenn er je wieder zu Geld käme und sie sich nicht mehr treffen würden, er jemand anders in Not helfen solle. Er konnte noch sein Abendessen zahlen und wir legten uns dann zur Ruhe. Am nächsten Morgen ging der Schweizer wieder zum Geldautomaten und siehe da: Geld kam heraus. Die Schweizer Postbank hatte für eine Woche alle Konten geschlossen, weil sie mit neuen Computern ausgerüstet wurde. "Null Komma Nichts" holte er uns ein und wanderte mit uns. Eine Woche später traf er die Amerikanerin und zahlte ihr wieder das Geld zurück. Sie wanderte noch mit bis zu den Pyrenäen und reiste dann zurück nach hause. Sie würde dann im folgenden Jahr weiterpilgern.

Auf dem Weg durch Spanien gesellten sich zu uns noch die deutsche Pastoralreferentin und die Französische Physiotherapeutin. Schon bevor wir Santiago erreichten, waren wir uns einig, dass wir noch die 80 Kilometer weiterpilgern zur kleinen Stadt am Meer, genannt Finisterre = "Ende der Welt". Wir kamen dort am 1. August an und wir setzten uns auf einen Felsen mit dem Blick auf die im Meer versinkende Abendsonne. Und ganz spontan sangen wir das Lied: "Danke für diesen schönen Abend, danke ...". Eingeschlossen wurde all das Schöne, das wir zusammen erlebt hatten. Was mich auch noch beeindruckte, war die Tatsache, dass zwei Mitglieder eigentlich nichts von der Kirche und vom Herrgott wissen wollten und doch berührt wurden von etwas Überirdischem.

Bei den anderen Wanderungen gab es auch schöne Erlebnisse. Nächstes Jahr, so Gott will, beginne ich meine Wanderung auf dem Martinsweg von Haigerloch nach Tours. In der Zwischenzeit mache ich meine Hausaufgaben in Haigerloch.