St. Anna in Jerusalem

Ausgrabungen uns Annakirche in Jerusalem

Sendung ins Heilige Land
Eine der ersten Aufgaben, die 1874 den Weissen Vätern außerhalb von Algerien übertragen wurde: Die Sorge für die Kirche und das Seminar von St. Anna in Jerusalem. Die Kirche, eine der ältesten und am besten erhaltenen romanischen Kreuzfahrerkirchen (erbaut 1140) war dem französischen Kaiser als Dankeszeichen nach dem Krimkrieg vom Sultan in Konstantinopel geschenkt worden. Das Grundstück ist seitdem französisches Territorium.
Die Afrikamissionare - Weisse Väter verwalten die Kirche. Fast gleichzeitig wurde der Missionsgesellschaft die Sorge für die Ausbildung des Arabisch sprechenden Klerus der mit Rom unierten melchitischen Kirche anvertraut. Die an das Territorium der Kirche angrenzenden Grundstücke konnten die Weissen Väter kaufen. Seminargebäude wurden errichtet, der Lehrbetrieb für den melchitischen Priesternachwuchs begann.

Geschichte des Ortes und der Kirche St. Anna:
In alttestamentlicher Zeit (8. Jahrhundert vor Christus) wurde auf dem Grundstück ein Damm gebaut. Südlich vor dem "Oberen Teich" wurde später (3. Jahrhundert vor Christus) ein zweiter Damm gebaut. Die Teiche waren durch einen Kanal (später einen Tunnel) mit dem Tempel verbunden, wo wegen der Opfer Wasser in größeren Mengen nötig war.
Gleich nebenan dienten seit dem zweiten Jahrhundert vor Christus einige Felsenhöhlen als heidnisches Bäderheiligtum.
Das Heiligtum lag in Sichtweite des jüdischen Tempels, gleich neben dem Schafstor. Hierhin kam Jesus und heilte den Gelähmten (Joh. 5,2). Als die Römer im zweiten Jahrhundert Jerusalem in eine heidnische Stadt verwandelten, wurde hier ein Asclepius-Tempel gebaut. Im fünften Jahrhundert wurde eine byzantinische Kirche zum Gedenken an das Heilungswunder errichtet. Von den Persern zerstört, wird bald eine neue kleine Kirche gebaut, die der Tradition der Geburt Mariens gedenkt.
Kreuzfahrer bauten die jetzige Kirche 1140 neben den Ruinen, die auch weiterhin von Christen in Erinnerung an das Heilungswunder von Betesda besucht wurden. Ein Wunder ist, dass die Kirche unter den Muslimen der Zerstörung entging. Saladin errichtete in ihr 1192 eine Theologenschule. Doch über die Jahrhunderte zerfiel die Kirche. Abfalle und Unrat wurde von den umliegenden Häusern und den Stadtmauern hier entsorgt. Bis zum zerfallenen Dach war im 19. Jahrhundert die Kirche im Müll versunken. 1856 wurde sie nach dem Krimkrieg den Franzosen geschenkt.
Die Weissen Väter haben nicht nur die Kirche restauriert, sondern auch auf dem Gelände der Teiche von Betesda umfassende archäologische Ausgrabungen vorgenommen. Heute können gleich neben der wunderschönen Kirche von St. Anna die Ausgrabungen der Tempelteiche, des heidnischen Heiligtums und der byzantinischen Kirchen besichtigt werden. Das obige Bild zeigt einen Blick von den Ausgrabungen auf die romanische Kirche von St. Anna.

Melchitische Christen
Im fünften Jahrhundert erhielten die Christen des Patriarchats von Jerusalem, Alexandria und Antiochia den Namen "Melchiten". Beim Konzil von Chalcedon (451) hatten sie die Lehre von der doppelten Natur Christi anerkannt ebenso wie die westliche Christenheit unter dem Papst und wie der byzantinische Kaiser. Dagegen erkannten die "Monophysiten", die an eine einzige, göttliche Natur Jesu glauben, dieses Konzil nicht an. Sie gaben den Melchiten den Namen "die Königlichen" („malik“ ist das aramäische Wort für König). Nach der Trennung (Schisma) zwischen Rom und der orientalischen Kirche 1054, fanden sich die Melchiten bei den östlichen "orthodoxen" Kirchen wieder. Doch strebten Gruppen von ihnen in der nachfolgenden Zeit immer wieder die Einheit mit Rom an und wurden unter Beibehaltung ihres östlichen Ritus von Rom anerkannt.
Melchiten leben hauptsächlich in Palästina, Libanon, Jordanien und Syrien. Seit 1724 hat das von Rom anerkannte Patriarchat seinen Sitz in Damaskus.
Etwa 300000 bis eine halbe Million mit Rom unierte Melchiten sind Araber und benutzen in der Liturgie die arabische Sprache. Ihre Priester sind meist verheiratet.

Geschichte des Seminars von St. Anna
1874 den Weissen Vätern anvertraut, gab es anfänglich einige personelle und "politische" Probleme. Die Franziskaner und das Lateinische Patriarchat waren über die neue "Konkurrenz" nicht glücklich, besonders da die Weissen Väter sich auch nach den Anweisungen Kardinal Lavigeries strikt jeder "Latinisierung" zu enthalten hatten. Zusätzlich wurde St. Anna auch der Jurisdiktion des lateinischen Patriarchen entzogen. Doch gab es für die Weissen Väter anfangs keinen konkreten Arbeitsplan, was sich als Handikap herausstellte.
Erst als Aufgabe und Ziel mit der Eröffnung des Internats und dem Beginn der Studien Januar 1882 geklärt waren, florierte das Unternehmen. Der melchitische Patriarch fand hier die Möglichkeit, seinen Priesteramtskandidaten eine gediegene Ausbildung zukommen zu lassen. Latein stand übrigens nicht auf dem Studienplan.
Der Sechstagekrieg 1967 brachte eine radikale Zäsur für das Seminar. Nachdem die israelische Armee die Altstadt Jerusalems erobert hatte, durften Studenten aus den arabischen Gebieten nicht mehr nach Jerusalem einreisen. Das Seminar musste von St. Anna in den Libanon verlegt werden.
Ein paar Jahre standen die Gebäude leer, in der Hoffnung, dass doch noch irgendwann die Rückkehr der arabischen Studenten möglich werden würde. Die Mitbrüder der Gemeinschaft von St. Anne kümmerten sich weiterhin um die Ökumene der Christen in Jerusalem.

Weiterbildungskurse für Missionare
Nach Jahren des Wartens nach dem Sechstagekrieg, entschloss sich der Generalrat der Afrikamissionare in Rom, in Jerusalem dreimonatige Kurse für die Afrikamissionare einzurichten, Bibelstudien und 30tägige Exerzitien. Alle Weisse Väter hatten so die Möglichkeit, irgendwann an heiligen Stätten an diesen Kursen teilzunehmen. Die meisten haben bisher die Gelegenheit auch genutzt. Seit einigen Jahren sind diese Kurse auch für Missionarinnen und Missionare aus anderen Orden und Missionsgesellschaften offen. Dreimal im Jahr werden Kurse in Englisch oder Französisch angeboten.

Jerusalem heute
Die politische Situation des Heiligen Landes ist von großen Spannungen geprägt. Die Mitbrüder in St. Anna, das ja im muslimischen Viertel der Altstadt liegt, sind täglich mit den Problemen der Menschen konfrontiert und direkt von den Ereignissen betroffen. Trotzdem arbeiten sie weiter an dem Dialog mit den Muslimen und der Ökumene mit den anderen christlichen Kirchen.
Die Zeitschrift Proche Orient wird von den Mitbrüdern in St. Anna herausgegeben. Vierteljährlich behandelt sie Themen wie Dialog mit dem Islam und berichtet über die ökumenische Bemühungen in Jerusalem, im Heiligen Land und im nahen Osten.

Die Gemeinschaft der Afrikamissionare in St. Anna
Elf Mitbrüder bilden heute die "Stammbesatzung" des Hauses in Jerusalem. Vier von ihnen sind im Dienst der Ökumene tätig, drei für die Weiterbildungs-Sessionen der Mitbrüder, einer für die Bibliothek, drei für den Dienst an den Pilgern.

Die Ausbildungsgemeinschaft für Studenten der Theologie
ist eine kleine Gruppe von Studenten, die anfänglich nach der Schließung des Ausbildungshauses in Totteridge, London, nach Jerusalem verlegt wurde. Heute studieren zehn junge Männer Theologie in Jerusalem. Sie haben nachdem Studium der Philosophie, dem Noviziat und einem mehrjährigen Einsatz auf einer Missionsstation bereiten sie sich jetzt weiter auf das Leben als Missionar in Afrika vor.

Betreuung der Pilger
Die Kirche der hl. Anna an der traditionellen Geburtsstätte der hl. Maria ist ein hervorragend erhaltenes Gebäude aus der Zeit der Kreuzfahrer. Mit den Ausgrabungen der Tempelteiche, der Heilungsstätte am Teich von Bethesda und den Ruinen byzantinischer Vorgängerkirchen ist das Gelände ein wichtiger Ort für Touristen und Pilger. Einige Weisse Väter betreuen die Menschen, die täglich hierher kommen. Wann immer er kann hilft auch der Afrikamissionar Erzbischof Michael Fitzgerald dabei mit. Der war bis vor einiger Zeit noch Botschafter für den Vatikan in Kairo.

Stand: November 2013

Die Gemeinschaft der Studenten in St. Anna

Studenten auf dem Dach St. Anna

Eine Gruppe von einem Dutzend Studenten der Theologie lebt im Haus der Afrikamissionare in Jerusalem. Hier bereiten sich die jungen Leute darauf vor nach ihrem Studium und der Priesterweihe als Missionare in afrikanische Länder zu gehen.
Fotos: hbs Copyright.