Sambia: Auf der Suche nach Heil und Heilung

Reinhold Bloching und Dr. Musebania mit Tochter

Wo Krankheiten die Lebensqualität oder gar das Leben bedrohen, suchen Menschen nach Hilfe. In der afrikanischen Tradition haben sich verschiedene Hilfsangebote entwickelt: Kräuterheiler, Medizinmänner, Zauberer und andere. Die Mission der Kirche macht mit Krankenhäusern und Gesundheitszentren ein an westlicher Medizin orientiertes Angebot. Doch Menschen suchen oft mehr.

Dr. Musebania hockt auf einem niedrigen Holzschemel unweit seines einfachen Hauses im Schatten einiger Mangobäume. In einigen Metern Abstand sitzt eine Patientin des Doktors auf einer Matte am Boden. Sie ist schon seit einigen Wochen bei ihm in Behandlung. Die junge Mutter hat ihre beiden kleinen Kinder bei sich. Sie ist niedergeschlagen, leidet, weiß aber nicht woran es liegt und was sie bedrückt. Der Doktor wird ihr helfen, es herauszufinden.

Auf die Probleme eingehen
Es geht hier nicht um Geisterheilung oder Dämonenaustreibung, wie Menschen aus dem westlichen Kulturkreis gern und schnell vermuten. Dr. Musebania ist kein Hexer, kein Zauberer, kein Medizinmann oder Magier. Er praktiziert etwas, das heute als Teil der traditionellen afrikanischen Medizin anerkannt ist. Dr. Musebania hat nie eine Schule besucht, aber seit seiner Jugend hat er die Fähigkeit in sich verspürt, auf die Probleme von Menschen eingehen zu können, um ihnen zu helfen. Das sind Dinge, die oft gar nicht direkt in Worte gefasst werden. Über die Jahre hat er immer mehr Erfahrung gesammelt. Auch wenn er traditionelle Heilpflanzen und Kräuter kennt, seine Medizin ist mehr als die richtige Arznei geben, mehr als Wunden nach fixen Vorschriften behandeln. Er ist flexibel in seiner Herangehensweise. Wenn eine Wunde nicht heilt, fragt er nach dem Warum. Wenn er und der Patient das wissen, kann Heilung beginnen. Wenn etwas schief geht, hat das eine Ursache, also hilft er den Menschen, herauszufinden, woher ein Unglück kommt.

Mission und Medizin
Pater Reinhold Bloching hat sich oft mit Dr. Musebania unterhalten. Sie sind gleichsam Nachbarn. Dr. Musebania hat seine Praxis gleich an der Außenmauer des Geländes der katholischen Kirche Sankt Johann Baptist von New-Kaleoko, einer Vorstadt von Ndola. Dies ist eine sehr arme Gegend, die meisten Menschen können sich westliche Medizin gar nicht leisten. Oft gehen sie erst zum Krankenhaus, wenn nichts anderes geholfen hat. Der größte Teil aller Kranken sucht zuerst einmal den traditionellen Heiler auf. Das ist ihre althergebrachte Medizin, die kennen sie. Das ist nicht nur in Ndola so, sondern überall in den Ländern Schwarzafrikas, in den Städten ebenso wie auf dem Land. Für viele Menschen aus dem westlichen Kulturkreis und auch für viele Missionare ist diese Art der Medizin ein rotes Tuch, weiß Pater Bloching zu berichten.
Allerdings gibt es auch Missionare, die nicht nur Forschungen auf diesem Gebiet gemacht und diese Medizin erlernt haben, so dass sie selber Teile der traditionellen Medizin praktizieren. Für manche Krankheiten ist die traditionelle Medizin mindestens so hilfreich wie die westliche.

Medizin ist mehr als Technik
Westliche Medizin blendet oft die spirituelle Seite und das soziale Umfeld aus. Für das afrikanische Milieu gibt es aber auch noch die Verbindung mit der Welt der Ahnen. Was hier bei uns geschieht, spiegelt sich in der nächsten Welt. Da ist dann die Frage: nicht „was“, sondern „wer“ ist die Ursache.
Bischof Richard Baawobr aus Wa, Ghana hat es als Missionar in verschiedenen Ländern Afrikas erlebt: „Bei einer Krise versuchen die Menschen eine Lösung zu finden, koste es was es wolle. Auch was die Kirche vorschlägt, ist für sie als Antwort oft nicht adäquat genug. Sie sagen sich, wenn ich zu gewissen traditionellen Praktiken zurückgehe, dann finde ich eine Lösung.“

Auf der Suche nach Hilfe
Krisen, Krankheit und Tod werfen das Leben von Menschen durcheinander, sie haben viele Fragen. Es sind Momente in denen Menschen sich sehr verletzlich fühlen. „Wenn wir ihnen gegenüber nicht aufmerksam sind, werden wir sie verlieren“, meint Bischof Baawobr. Er fährt fort: „In traditionellen Gesellschaften werden Menschen sich automatisch an das wenden, was sie seit Alters her kennen. In der westlichen Gesellschaft wenden Menschen sich in Krisen an Psychologen, an Psychiater. Sie suchen jemand der ihnen zuhört und ihnen hilft, mit gewissen Werten ihres Lebens in Kontakt zu kommen und Orientierung zu finden. Wir haben diese Berater, Psychologen in Afrika nicht. Menschen gehen also zu dem zurück, was sie kennen: Da sind Menschen, die ihnen zuhören und Lösungen anbieten. Dies und jenes geschieht, weil du dich so und so verhältst. Ein Psychologe mag anders herangehen, im Grunde geht es aber um das Gleiche: Du bist in einer Krise, du musst wieder eine Richtung in dein Leben bringen. Dabei helfe ich dir.“

Umworben aber ungenau
In Südafrika und Simbabwe wurde versucht, das weite Feld der traditionellen Afrikanischen Medizin unter Kontrolle zu bringen. Staatlicherseits gibt es Anstrengungen, die hilfreiche Kräutermedizin und Heilerpraktiken von den Scharlatanen und Quacksalbern zu trennen, die sich in dem weiten Feld von Heil und Heilung herumtreiben. Es gibt Versuche, gewisse traditionelle Praktiken mit der westlichen Medizin zu verbinden. Das ererbte und durchaus oft positive Wissen um pflanzliche Heilmittel ist auch Objekt der Begierde vieler westlicher Pharmaunternehmen, die ihre eigenen medizinischen Produkte daraus entwickeln möchten.

Keine gemeinsame Basis
Ein großes Problem zwischen der sogenannten „modernen“ Medizin und den traditionellen Heilern ist die fehlende gemeinsame wissenschaftliche Basis für einen fruchtbaren Austausch und eine Zusammenarbeit. Traditionelle Heiler haben meist nur wenig oder keine schulische Bildung. Sie können also ihr reiches Wissen kaum auf wissenschaftlicher Ebene geltend und allgemein zugänglich machen. Auch Dr. Musebania in Ndola hat keine formale schulische Bildung. Eigentlich heißt er „Kampidu“. „Dr. Musebania“ nennt er sich, um seinen Beruf für die Patienten klarzustellen. Wissenschaftliche Qualifikation im westlichen Sinne beansprucht er dadurch nicht.____hbs


Bild oben: Pater Reinhold Bloching mit Dr. Musebania in Ndola, Sambia.
Bild unten: Angebot bon Naturheilmitteln auf dem Markt in Ouagadougou.
(Fotos: Schering)

Verskaufsstand für afrikanische Medizin