Es braucht einen langen Atem

P. Wolfgang Schonecke

In meiner missionarischen Arbeit in Uganda hat mich immer eine Erfahrung fasziniert: Dort sind Pastoral und soziales Engagement, Glaubensverkündigung und Entwicklungsarbeit, Spiritualität und Gerechtigkeitsarbeit eins. In Deutschland haben wir die verschiedenen Dimensionen der Mission der Kirche auseinander dividiert. Für soziale Projekte ist Misereor zuständig, für pastorale Programme Missio und für Nothilfe die Caritas. In Afrika ist der Pfarrer Liturge und Entwicklungshelfer, geistlicher Begleiter und Sozialarbeiter und der Katechist bringt den Kindern so wohl die Bibel wie auch das Alphabet bei.

Als 1964 nach Uganda kam, war das Land gerade unabhängig geworden. Wie überall in Afrika war das große Ziel nach einem Jahrhundert der Kolonisation endlich mit dem Rest der Welt gleichzuziehen. Der Feind war nicht mehr die koloniale Besatzungsmacht, die neuen Gegner, den es zu bekämpfen galt, waren Krankheit, Armut und Ignoranz. Die Kirche, und wir Missionare und Missionarinnen mit ihr, übernahmen die Entwicklungsziele der Regierungen und investierten viel Zeit und Geld in Brunnenbohren und Brückenbauen, in Schulen und Krankenstationen, in Erwachsenenbildung und Präventivmedizin. Das Konzil mit seiner Öffnung zur Welt schien uns darin zu bestärken.

In den achtziger Jahren merkten wir dann, dass unsere Anstrengungen nicht den großen Sprung nach vorne gebracht hatten. Die Armut nahm zu, gewaltsame Konflikte breiteten sich aus. Was war schief gegangen, überlegten wir? Die Rahmenbedingungen stimmten nicht. Die neue afrikanische Führungsschicht hatte die Privilegien der Kolonialverwaltung übernommen, aber das Verantwortungsbewusstsein für ihre Bevölkerung vergessen. Die politische Unabhängigkeit war gewonnen, die koloniale wirtschaftliche Ausbeutung ging unter anderem Namen weiter. Wir erkannten, dass es nicht genug war, Projekte zu verwirklichen, Wir mussten uns auch für fairere wirtschaftliche Rahmenbedingungen zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern einsetzen. Papst Johannes Paul II sprach von „struktureller Sünde“, die eine strukturelle Veränderung erfordert. Und so war ich voll dabei, als die Missionsorden sich in Netzwerken zusammenschlossen und Büros zuerst in Washington, dann auch in Brüssel gründeten, um bei den Politikern die Interessen Afrikas zu vertreten und Entscheidungen zu Gunsten der Armen im Afrika zu beeinflussen.

In der Zeit als ich im Leitungsteam der Afrikamissionare in Rom und später für Ostafrikanische Bischofskonferenz in Nairobi / Kenia arbeitete, bin ich in viele afrikanische Länder gereist. Überall gab es ähnliche Probleme. Wir versuchten, Bischöfen, Priestern und Laien die Zusammenhänge zwischen wachsender Armut in ihren Ländern und den globalen wirtschaftlichen Ungerechtigkeitsstrukturen zu erläutern. Die erste Afrikanische Bischofssynode 1994 bestärkte uns in dieser Arbeit für Gerechtigkeit und Frieden. Als 2001 die Anfrage der deutschen Provinz kam, mich in meiner Heimat im Netzwerk Afrika-Deutschland (NAD) für die gleichen Ziele einzusetzen, zögerte ich nicht lange. Der Abschied von Afrika war schmerzlich und die Sehnsucht dahin bleibt bis heute lebendig. Aber in den zwölf Jahren, in denen ich mich mit allen möglichen Afrika-relevanten Themen beschäftigt habe, war ich mir immer bewusst, im Sinne Jesu zu handeln und dem Beispiel unseres Gründers Kardinal Lavigerie zu folgen, der sich vor 125 in einer Kampagne gegen die Sklaverei engagierte.

Politische Arbeit heißt dicke Bretter bohren und dazu braucht man einen langen Atem. Aber habe ich viele kleine, und manchmal größere Erfolge gesehen. Die große Entschuldungskampagne von 1999 brachte für 34 hoch verschuldete Ländern einen Schuldenerlass von 90 Milliarden Euro, mit dem Schulen gebaut und die Krankenversorgung verbessert wurde. Die Rekrutierung von Kindersoldaten wurde international geächtet. Das Recht auf Wasser wurde als ein Menschenrecht anerkannt. Gegen die Vertreibung von Kleinbauern zu Gunsten von Investoren wurden internationale Leitlinien beschlossen. Ermutigend ist vor allem, dass immer mehr Menschen begreifen, dass wir unseren persönlichen Lebensstil ändern und unsere zerstörerische Art zu wirtschaften ganz neu überdenken müssen. Dass in dieser kritischen Situation Papst Franziskus aus seiner persönlichen Erfahrung von Armut heraus immer wieder in Wort und Beispiel zu einem einfachen Leben und zur Verantwortung für kommende Generationen mahnt, bestärkt mich, auch im Alter den Anliegen Afrikas zu dienen.
P. Wolfgang Schonecke