Geschichte der Weissen Väter in Deutschland

Br. Hieronymus Baumeister

Erste deutsche Weisse Väter
1870 Karl Baumeister aus Unsleben tritt als Bruder Hieronymus bei den Afrikamissionaren ein.
1879 Bruder Max Blum, Neffe von Bruder Hieronymus (Karl Baumeister), ist Mitglied der zweiten Karawane nach Zentralafrika. Er wird im heutigen Tansania ermordet.
1882 Pater August Schynse (1857 - 1891) aus Dallhausen bei Bad Kreuznach wird als erster deutscher Priester von Kardinal Lavigerie in die Gesellschaft der Afrikamissionare aufgenommen.
1885 Pater Schynse ist bis 1887 am mittleren Kongo in Manyanga bei den Bayanzi tätig. Doch mussten die Weissen Väter das Gebiet aufgeben und den Scheutisten überlassen, nachdem der belgische König Leopold Druck auf den Vatikan ausgeübt hatte, "sein Territorium" belgischen Missionaren zu überlassen.
1888 Schreiben von Kardinal Lavigerie an die Katholikenversammlung in Freiburg 1888 und Koblenz 1890 macht die deutsche Kirche auf die Mission und die Probleme Afrikas aufmerksam.
1889 Denkschrift Kardinal Lavigeries über den Sklavenhandel in Ostafrika an Reichskanzler Bismarck wird dem Reichstag vorgelegt.
1890 Wegen der Folgen des Kulturkampfes sind Niederlassungen in Deutschland selber noch nicht gut möglich. Der Umweg für eine deutsche Niederlassung ist Luxemburg. Hier bietet sich den Weissen Vätern Marienthal an, ein 1232 erbautes Dominikanerinnenkloster, das von Kaiser Josef II. von Österreich aufgehoben und ziemlich verfallen war. 1890 übernehmen die Weissen Väter das Haus als Ausbildungsstätte für deutsche Missionsberufe.

Anfänge in Deutschland, Bau von Missionshäusern
1894 Erste Nummer der Missionszeitschrift "Afrikabote" erscheint. Gründer und Herausgeber ist Pater Pfeffermann.
1894 Die Missionsschule wird von Luxemburg nach Trier verlegt. Damit war die erwünschte Öffnung nach Deutschland gegeben. Da sich viele junge Leute melden, werden bald weitere Häuser benötigt.
1903 Gründung des Missionshauses von Haigerloch in Hohenzollern.
1905 Die deutschen Niederlassungen werden zu einer deutschen Provinz vereinigt unter der Leitung des ersten Provinzials Pater Joseph Froberger.
1907 Gründung des Missionshauses in Altkirch im Elsass.
1910 Pater Theodor Frey wird Provinzial.
1914 Gründung des Missionshauses Rietberg in Westfalen (wird nach Auflösung der Schule nach 1970 verkauft)

Zeit des Ersten Weltkrieges
1914 bis 1918 Der erste Weltkrieg schlägt der deutschen Provinz schmerzliche Wunden. Viele junge Menschen, Studenten, Brüder und Patres werden zum Kriegsdienst eingezogen. Mancher kehrt nicht mehr aus dem blutigen Krieg zurück. Für die Missionsarbeit in Afrika wird die Isolierung von der Heimat fast zu einer Existenzfrage. Deutsche Missionare in Afrika werden interniert oder ausgewiesen. Der Nachschub an Personal und Hilfsmitteln bleibt für Jahre aus.
1919 Besonders schmerzlich trifft die deutsche Provinz 1919 der Entscheid des Generalrates in Maison Carrée, Algerien, die deutsche Provinz aufzulösen. Patres und Brüder können sich einer anderen Provinz anschließen oder in ihre Diözese zurückgehen. Schüler sollen entlassen werden. Die Begründung ist, dass man die Gesellschaft nur wegen der deutschen Kolonien auf Deutschland ausgedehnt habe. Dieser Grund entfalle jetzt. Man könne es jungen Franzosen nicht zumuten, im gemeinsamen Noviziat mit jungen Deutschen zusammen zu sein oder später in den Missionen mit ihnen zu arbeiten. Das würde den Nachwuchs in Frankreich abschrecken.
Heftige Proteste von den Patres Frey, Betz, Daull und Steinhage mit handfesten Begründungen, zum Beispiel mit dem Hinweis, dass andere Missionsgesellschaften wie die Oblaten, Väter vom Heiligen Geist und weitere keineswegs so nationalistisch dächten, führen doch noch zu neuen Überlegungen. Mit einigen Auflagen, wie zum Beispiel als Vize-Provinz mit eigenem Noviziat und Seminar, mit maßvoller Berufswerbung, dürfen die deutschen Weissen Väter weitermachen. Eine bittere Erfahrung, die eine Folge der damaligen Nachkriegspropaganda war.

Neubeginn in wirtschaftlich und politisch schwieriger Zeit
1924 Zeit des Wiederaufbaus. Trotz vieler Schwierigkeiten erholt sich die Provinz bald. 1924 werden wieder deutsche Missionare nach Afrika ausgesandt. Die Schulen und Seminare füllen sich. Die deutsche Provinz bekommt in Afrika zwei eigene Missionsgebiete zugewiesen: Luangwa in Rhodesien (heute Sambia) und Tukuyu in Tanganyika (heute Tansania).
1926 Pater Georg Steinhage wird Provinzial.

Unter dem Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg
1933 Der auch zahlenmäßige Aufschwung wird gestört durch eine neue politische Entwicklung in Deutschland. Der Nationalsozialismus kommt an die Macht.
Missionare werden wegen ihrer Arbeit bei nichtarischen Völkern von den herrschenden Nazis heftig angegriffen. Schauprozesse, harte Devisengesetze und Steuerbestimmungen sollen die Arbeit der Missionsgesellschaft erschweren und unmöglich machen. Der Provinzial Pater Steinhage wird nach Berlin zitiert. Jeder befürchtet, dass er von dort nicht wieder zurückkehren wird. Zur großen Freude aller Mitbrüder kann er aber nach Trier zurückkehren.
1934 Die deutsche Provinz zählt 98 Patres und 145 Brüder. Davon sind 34 Patres und 64 Brüder in den Missionen tätig. 102 Seminaristen, 22 Brüderpostulanten und 55 Novizen bereiten sich auf den Missionsberuf vor.
1940 Die bisherigen Maßnahmen bringen nicht den gewünschten Erfolg. Darum suchen die Nationalsozialisten die Ausbildung von Nachwuchs für die Missionsarbeit zu unterbinden. Sämtliche Missionsschulen werden verboten und geschlossen.
"Der Führer hat entschieden, dass ein öffentliches Interesse an den so genannten Missionsschulen nicht gegeben ist", heißt es im zugestellten Erlass. Die Schulgebäude werden enteignet und "nationalen" Zwecken zugeführt. Wieder scheint das Ende der Provinz gekommen zu sein.
Philosophen, Novizen und Theologen, können ihre Ausbildung weitermachen, bis sie im 2. Weltkrieg eingezogen werden und ihr Weg für Jahre unterbrochen oder für immer beendet wird. Ein Mitbruder schreibt: "Als der Nationalsozialismus durch die Niederlage im Krieg zerschlagen war, war die Provinz wohl gerettet, aber sie glich einem Kornfeld, über das ein Hagelschlag niedergegangen war." 17 Patres, 9 Brüder, 7 Scholastiker und Novizen, 14 Philosophen und etwa 20 Schüler, sind nicht mehr aus dem Krieg zurückgekehrt. Der gesamte Nachwuchs hat sechs Jahre an allen Fronten unter den Waffen gestanden oder nach dem Krieg noch jahrelang in oft sehr harter Gefangenschaft warten müssen.


Wiederaufbau nach dem Weltkrieg
1945 Alle Missionshäuser, die im Laufe des Krieges anderen Zwecken zugeführt wurden, können in langen Verhandlungen zurückgewonnen werden. Trotz Hunger, Kälte und wohnlichen Einschränkungen ist Hoffnung da. Aus dem Krieg und aus der Gefangenschaft heimkehrende Mitbrüder packen mit an und wagen auf den Trümmern der Verfolgung und des Krieges einen Neuanfang. Seminaristen kehren zurück, Schüler melden sich wieder, Vorlesungen und Unterricht werden erneut aufgenommen. Die Lebensverhältnisse sind beengt und arm. Jemand schreibt: "Da man nur Kohlen hat für einen einzigen Raum, ist dieser für Patres und Schüler Unterrichtsraum, Erholungsraum, Studiensaal und Arbeitszimmer."
1946 In Rietberg beginnt am 25. November 1946 das erste Noviziat nach dem Krieg mit sechs Klerikern und zwei Brüdern. Die Leitung hat Pater Hunkenschröder, der es im klassischen Stil wie vor dem Krieg leitet. Für das anschließende Theologiestudium in Trier benötigen die Kleriker nach dem Noviziat eine Einreiseerlaubnis für die französischen Zone. Es dauert zwei Monate bis sie nach Trier fahren können.
1947 Das Haus in Trier liegt in Trümmern. Es kann ab Dezember 1947 nur behelfsmäßig benutzt werden. Die Seminaristen studieren und beteiligen sich am Aufbau des Hauses in der Dietrichstraße. Brüderpostulanten und Novizen bauen das Haus in Langenfeld aus.
Aus dem benachbarten Marienthal kommen luxemburgische Mitbrüder nie mit leeren Händen zu Besuch nach Trier! Raritäten wie Kaffee, Schokolade, Butter, Zigaretten u.v.a. bringen sie mit guten Worten zollfrei über die Grenze. Dass sie aber überhaupt kamen, war für die deutschen Weissen Väter weit mehr wert als das, was sie mitbrachten. Sie kamen als Mitbrüder zu Mitbrüdern!
1948 Pater Georg Steinhage wird nach 22 schweren Jahren von der Leitung der Provinz abgelöst. Sein persönlicher Einsatz für die Provinz und für die Mitbrüder ist selbstlos gewesen. Während des Krieges besuchte er wo immer möglich alle Mitbrüder, die als Soldaten eingezogen waren, in ihrem Einsatzgebiet.
Im Alter von 86 Jahren ist er 1962 verstorben. Im Nachruf heißt es schlicht und ehrlich: "Der Dank, dass wir ihn haben durften, ist wichtiger als die Trauer an seinem Grab. Deo gratias!"

Neue Ausrichtung auf Afrika hin
Im Jahre 1948 übernimmt Pater Ludwig Haag die Leitung der Provinz. Seine Priorität ist nicht nur mehr Neuaufbau der Provinz, sondern erneute Ausrichtung nach Afrika.
1955 In Hörstel wird mit dem Bau eines neuen Noviziates für Brüder und Kleriker begonnen.
1957 Pater Franz Gypkens übernimmt die Leitung der Provinz. Er ist vielen durch Exerzitien, Vorträge, Bücher und Rundfunkansprachen in Deutschland bekannt. In Afrika gründet er drei Sozialzentren: in Mwanza/ Tansania, in Bobo-Dioulasso / Obervolta (heute Burkina-Faso) und in Bukavu/ Kongo-Zaire, in denen an Ort und Stelle eine einheimische mittlere Führungsschicht geformt werden soll.
1960 Eröffnung eines Wohnheims für Studenten und Studentinnen in Köln. Studenten kommen aus allen Teilen Afrikas zum Studium und zur Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen.
In Bonn wird ein Haus erworben als Treffpunkt für afrikanische Diplomaten und deren Familien.
Pater Gypkens versucht, mit der Idee der "Sono-Viso-Geräte" ein modernes Medium für eine breit gefächerte Erwachsenenbildung in Afrika und in anderen Entwicklungsländern zu erschaffen. Mehrere Tausend Geräte werden gebaut. Aber die Investitionen übersteigen bei Weitem die Finanzkraft der Provinz und bringt eine untragbare Schulden-Situation für die Provinz. "Spiegel" und "Schwarzer Brief" bringen die finanziellen Machenschaften in die Öffentlichkeit. Spaltung, Enttäuschung und Entmutigung sind in der Provinz die Folge der "Sono-Viso"-Pleite.
Pater Gypkens wird als Provinzial abgelöst, er verlässt die Gesellschaft.

Missionsgesellschaft nach dem II. Vatikanischen Konzil
1965, Nov. Neuer Provinzial wird Pater Johannes Steinkamp. Er setzt einen neuen Anfang für die Provinz. Es dauert aber noch einige Jahre die Spaltung ganz zu überwinden. Finanzielle Belastungen werden aufgefangen. "Misereor" übernimmt die Finanzierung der Sozialinstitute in Afrika. "Adveniat" kauft einen Großteil der "Sono-Viso-Geräte" für Südamerika. Anteil an der erfolgreichen Abwicklung hat Pater Wilhelm Fischer.
Das Gymnasium in Großkrotzenburg wird an die Franziskaner verkauft.
Missionsschulen werden eine finanzielle Belastung. Manche werden anfangs noch als Schülerheime genutzt. Danach andere Aufgaben für die Häuser. Linz und Haigerloch werden zu Seniorenheimen für ältere Mitbrüder. Die Missionshäuser in Rietberg und Amberg werden verkauft.
1970 Verlegung des Provinzialates von Frankfurt nach Köln.
1972 Pater Benno Baumeister wird Provinzial (bis 1979), sein Stellvertreter ist Pater Alfons Wehmeyer.
Innere Neugestaltung der Provinz, Anpassung an neue Situationen in Afrika und in Europa.
1975 Afrikanum wird Köln Beratungsstelle für Studenten
1978 Beginn von CIBEDO (Christlich Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle), zuerst in Köln, später in Frankfurt. Federführend ist Pater Hans Vöking.
1979 Pater Ernst Berens, Provinzial, Pater Georg Völlinger Vizeprovinzial.
1985 Pater Rudi Hufschmid Provinzial, Pater Otto Walter Vizeprovinzial.
1991 Pater Anton Weidelener Provinzial , Pater Hans B. Schering Vizeprovinzial.
1992 Wahl von Pater Gotthard Rosner zum ersten deutschen Generalobern der Gesellschaft.
1994 Eröffnung des Afrika Centers in Berlin.
1997 Pater Rudi Pint Provinzial, Pater Alfred Heintz Vizeprovinzial.
2002, 1. Jan. Der Personalstand der deutschen Provinz am 1. Januar 2002:
192 Mitbrüder davon im Ausland 103.
Niederlassungen: in Deutschland 9, dazu eine in Luxemburg.
2003 Pater Detlef Bartsch wird neuer Provinzial, Vizeprovinzial ist Pater Wolfgang Büth.
2004, 26. Jan. Als erster Weisser Vater kann Pater Karl Stengel in Haigerloch den 100. Geburtstag feiern.
2004 Teilnehmer für die deutsche Provinz sind beim XXVI. Generalkapitel in Rom (10. Mai bis 16.Juni) die Patres Detlef Bartsch und Hans B. Schering.
2005, 1. Jan. Der Personalstand der deutschen Provinz am 1. Januar 2005:
182 Mitbrüder, davon 94 in der Provinz und 88 im Ausland.
2005 Provinzversammlung in Trier vom 5. bis 9. September. 54 Mitbrüder nahmen teil.
2008, 1. Februar Der deutsche Provinzial Pater Detlef Bartsch wird zum neuen Provinzial der Europaprovinz ernannt, die vom 1. Juli 2008 an als gemeinsame Provinz für Europa alle bisherigen Provinzen der einzelnen Länder Europas ersetzt. Die bisherigen Provinzen gelten fortan als Sektoren der Europaprovinz.
2008, 1. Juli P. Wolfgang Büth übernimmt das Amt des Sektoroberen für Deutschland und Luxemburg.
2011, 1. Juli P. André-Léon Simonart übernimmt als neuer Provinzial der Europaprovinz das Amt von P. Detlef Bartsch, der nach Afrika (Ruanda) zurückkehrt.
2011, 1. Juli P. Helmut Revers, bisher in Tansania tätig, wird neuer Oberer des deutschen Sektors.
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