Die Könige von Goma

Tschukudu voll beladen

Die Stadt Goma liegt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, an der Grenze nach Ruanda am nördlichen Ufer des Kivusees. Die Stadt war früher bekannt als „das Paradies“. Man schätzte den Ort wegen seines milden, angenehmen Klimas. Der eigentliche Name der Stadt ist „Koma“, was in Suaheli soviel bedeutet wie „du wirst leiden“. Denn nur etwa 15 Kilometer von der Stadt liegt der immer noch aktive Vulkan Nyiragongo.

Vulkanausbrüche haben den Ort immer wieder bedroht und zerstört. Zuletzt war es im Jahr 2002, dass die heiße Lava einen Großteil der Stadt unter sich begrub. Neben vielen Gebäuden wurde auch die katholische Kathedrale ein Opfer der Lavamassen und vom nahe gelegenen Flughafen verschwand mehr als ein Drittel der Landebahn unter einer Lavaschicht. Die Menschen in Goma haben bald danach auf der erkalteten Lava wieder ihre Häuser aufgebaut. Heute hat die Stadt etwa eine Million Einwohner. Hinzu kommen einige zigtausend Flüchtlinge, die vor den Rebellen, den Mai-Mai und Interahamwe aus den ländlichen Gebieten und dem Urwald in der Stadt Zuflucht gesucht haben.

Handel und Handwerk
Goma ist die Provinzhauptstadt der Region Kivu-Nord. Die Einwohner leben meist vom Handel und vom Kleinhandwerk. Für Groß- und Kleinhandel ist die Stadt ein Knotenpunkt. Ganz wichtig für den Handel und den Warentransport sind die Tshukudus, zweirädrige Roller aus Holz. Ohne sie wäre besonders der Transport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, von Produkten des Kleinhandwerks und der Waren des lokalen Handels kaum zu bewältigen.

Örtliches Gefährt
„Tukudo“ ist ein Wort aus der Kinya-Rwanda-Sprache. Es bedeutet „Rucksack“. Daher scheint der Name für die „Tshukudus“ zu stammen. Andere sagen allerdings, der Name sei eine Imitation des „Tuck-tuck-tuck“ Geräusches alter Lastwagen. Seit etwa 1970 gibt es Tshukudus in Goma und Umgebung. Fast alles an diesen bis zwei Meter langen Rollern ist aus Holz hergestellt. Aus Metall sind nur die Kugellager für die Räder und die Stahlfeder, die vorne die Steuergabel federt. Auf der Lauffläche der hölzernen Räder ist der Gummi alter Autoreifen aufgenagelt. Je nach Größe kostet ein Tshukudu 150 bis 300 Euro.

Wahre Lastesel
Das Ladebrett dieser Roller ist etwa 30 Zentimeter breit. Darauf wird untergebracht, was zu transportieren ist. Bis zu 400 Kilo können geladen werden. Auf „Tshukudus“ wird alles nur erdenkliche Material transportiert: Säcke mit Zement, Kanthölzer und Bretter oder fünf bis sechs Meter lange Gerüststangen aus Eukalyptusholz. Andere sind unterwegs mit Lebensmitteln und Bedarfsgütern, Zucker und Mehl in Säcken und in Kartons verpackte Waren. Die Ladung kann auch aus Möbel oder Autoreifen bestehen oder aus einem halben Dutzend Säcken Holzkohle von 50 bis 70 Kilo. Wenn ein Chauffeur fleißig ist und sein Geld zusammenhält, können er und seine Familie bescheiden von seiner Arbeit leben. Manche schaffen es sogar, sich ein leichtes Motorrad für 1500 Dollar zu erwirtschaften. Dann sind sie „Taximan“ und können ihr Tshukudu an jemand anders vermieten.

Geschwindigkeit
Waren werden oft aus bis zu dreißig Kilometer entfernten Orten bis nach Goma transportiert. Dabei profitieren die „Chauffeure“ von dem Gefälle der Berge und Hügel. Sie sausen mit hoher Geschwindigkeit bergab und nehmen den Schwung noch mit, um den nächsten Kilometer zu rollen. Meister der Fahrkunst Ein beladenes Tshukudu zu fahren ist eine wahre Meisterleistung. Bremsen kann man so gut wie nicht. Wenn so ein Gefährt in Kollision mit einem Lastwagen gerät, kann das für seinen Fahrer übel ausgehen. Schwere Verletzungen und sogar Todesfälle sind die Folgen. Ungefährlicher, dafür kraftraubender ist der Betrieb der Tshukudus in der Stadt selbst. Dort kann man nicht das Gefälle nutzen, Waren müssen mit Muskelkraft bewegt werden. Als die Stadt auf die Tshukudus eine Steuer erheben wollte, kam es zu Protesten. Viele der „Chauffeure“ haben sich zu einer Association zusammengeschlossen. Sie weigerten sich, für die körperliche Arbeit, die sie leisten, auch noch Steuern zu entrichten. Also blieb alles nach Protesten vor dem Bürgermeisteramt erst einmal beim Alten. Die Stadtväter wissen, wie wichtig die „Tshukudeure“ für Goma sind und haben ihnen sogar ein vergoldetes Denkmal gesetzt. Man nennt die Chauffeure sogar die „Könige von Goma!“

Viele Interessen
Rutshuru, 50 Kilometer von Goma entfernt, ist eines der Zentren für die Herstellung von Tshukudus. Heute ist für die Herstellung gutes, ausgereiftes Holz nur noch schwer zu finden. Bäume wachsen hier zwar schnell, werden aber für die Holzkohleherstellung schon sehr bald abgeschlagen. Holzkohle bringt Geld, ein Sack kostet heute dreimal so viel wie vor zehn Jahren. So verlagert sich die Herstellung der Tshukudus immer weiter in die Urwaldgebiete, wo besonders das Holz für die Steuergabel zu finden ist. Es muss hart und gut getrocknet sein, sonst hält es nicht lange. Jetzt stellen Banditen und Rebellen wie die Mai-Mai und die Interahamwe oft die hölzernen Teile für die Roller im Urwald her und verlangen von Interessenten, dass sie selbst die Kugellager und Stahlfedern dafür aus der Stadt beschaffen. Bezahlt werden die Geräte oft mit benötigten Waren aus der Stadt und auch mit Munition. Br. Alois Blatz

Bild oben: Voll beladen ist ein Tshukudu nur mit viel Muskelkraft zu bewegen.

Bild unten: Ein Tshukudu besteht bis auf wenige Metallteile nur aus Holz.

Tschukudu in Goma