Wie die Sklaven: Menschen im Steinbruch

Arbeit im Steinbruch

Kinder arbeiten in einem Steinbruch: Die Bilder eines Fernsehberichtes zeigen eine apokalyptische Landschaft. Frauen, Mädchen und Kinder sitzen in der glühenden afrikanischen Hitze und zerschlagen Steine zu kleinen Kieseln, eine Arbeit mit der sie ein paar Cent verdienen. Mitten in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso existiert die „Hölle von Pissy“, wie der Reporter es nannte.

Ich konnte das nicht glauben, war schockiert! In Ouagadougou hatte ich Jahre lang gelebt. Nie hatte ich von einer solchen Situation gehört, geschweige denn sie gesehen. Ich konnte das kaum glauben.Bei meinem nächsten Besuch will ich das also selbst sehen, fahre mit einem Begleiter dorthin. Bevor wir eine steile Rampe in die Steingrube hinuntersteigen können, werden wir schon von zwei Männern angehalten. Von den „Touristen“, die nun seit einiger Zeit kommen, verlangen sie einen kleinen Eintritt. So schnell geht es! Mein Freund aus Ouagadougou verhandelt den Preis mit ihnen.

Arbeit im Chaos der Grube
Dann geht es steil hinunter in die weite, chaotische aussehende Grube. Nah am Pfad sitzt eine Frau mit ihrem Kleinsten auf dem Rücken und zerstückelte Steine, nicht weit entfernt ein junges Mädchen, das die Granitsteine noch weiter zerkleinert. Ein wenig zurück davon sitzt wieder eine Frau, sie macht etwas Pause, um ihr Kind zu stillen. Ein paar Jugendliche, die starke Stemmeisen in der Hand halten, scherzen mit uns. Sie wollen ein paar Groschen.

Arbeit für etwas Hoffnung
In der Grube scheint alles organisiert, wie in einem großen Steinbruch. Die Aktivität ist über ein weites Gelände verbreitet, aber man bekommt den Eindruck, dass alles bestens und reibungslos von statten geht. Die Grube ist so weit und tief, dass sie mich an die Braunkohlengrube in Hambach bei Köln erinnert. Männer werfen Autoreifen auf einen Granitblock, übergießen sie mit Benzin und zünden sie an. Der Stein wird erhitzt, dann mit kaltem Wasser übergossen: Der plötzliche Temperaturwechsel zerreißt den Stein in kleine Teile. Sobald die Stücke abgekühlt sind, werden sie verteilt und von jungen Männern mit Vorschlaghämmern zerschlagen. Kinder und Jugendliche verkleinern die Brocken anschließend zu Kieseln. Einige Leute haben sich für ihre Arbeit ein Sonnendach gebaut, doch andere sitzen in der Bullenhitze um elf Uhr im Freien und arbeiten. Die gesammelten Kieselsteine werden mit Eselskarren nach oben gefahren und dann mit Lastwagen zu den Baustellen. Welche Mafia das alles in der Hand hat und wer den Profit einstreicht ist nicht ersichtlich. Alle lächeln uns zu. Wie hier der Einzelne bezahlt wird, wie er davon leben kann, weiß nur er selber und sein Patron, für den er arbeitet und der ihn vielleicht ausnützt. Ein junger Mann sagt mir nur: „Ich habe Arbeit und kann meine kleine Familie versorgen.“ Mitten in der Stadt existiert also eine Steingrube von gewaltigen Ausmaßen. Seit Jahrzehnten werden Menschen ausgebeutet. Die Menschen, die hier arbeiten Groß und Klein, Frauen und Männer, leisten alle „Sklavenarbeit“. Sie wollen ein paar Cents verdienen, um zu überleben, und vielleicht ihren Kindern eine solche Not zu ersparen. Eine Frau erzählte mir, sie habe fünf Kinder. Ihr ältester Sohn wird in diesem Jahr das Abitur machen. „Durch meine Arbeit habe ich ihm die Schule ermöglicht. Wenn er mal groß ist, brauchen wir, ich und seine Geschwister, hier nicht mehr zu schuften.“

Ein wenig Hilfe für die Kinder
Oben am Rand der Grube gibt es einen Kindergarten, ein bisschen versteckt im Quartier nebenan. Die zwei bis vierjährigen Kleinen, so um 60 – 80 an der Zahl, verbringen in diesem relativ schönen Kindergarten den Tag, bekommen Essen und warten bis die Mama von der Arbeit aus der Grube kommt, und sie wieder mit nach Hause nimmt. Nicht alle Kinder werden in den Kindergarten gebracht. Leider sind die Jüngsten die am meisten Benachteiligten. Sie gehen mit Mutter und Vater in die Grube und arbeiten mit. Sie sind oft die Letztgeborenen und die Eltern haben kein Geld mehr, um sie in den Kindergarten und in die Schule zu schicken. Dann bleibt ihnen nur noch dieser Sklavendienst.Im Steinbruch arbeiten Klein und Groß, Alt und Jung, Männer und Frauen. Leider viel zu viel Kinder, kleine Jungen und Mädchen. Sollte die Stadt nicht energischer eingreifen, die Arbeitslöhne kontrollieren und sehen, dass sie gerecht bezahlt werden?

Zu viele Probleme auf einmal
In der Pfarrei Johannes XXIII wurde ein Fond für bedürftige Kinder eingerichtet. Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Fragt man die Leute, ob sie die Situation kennen, so wissen sie zwar alle von der „carrière“, dem Steinbruch, doch keiner engagiert sich. Es gibt so viel anderes Elend, mit dem sie konfrontiert sind! Eigentlich ist die Steingrube eine Schande für die Stadt und eine Herausforderung für alle, die in Ouagadougou leben.Es entwickelt sich dabei aber auch eine Art von Gleichgültigkeit und Gewöhnung. Am Abend bin ich bei einer Frau eingeladen, die genau oberhalb der Grube in der Hauptverwaltung der Sonaby, der staatlichen Öl- und Benzinverwaltung, als Chefsekretärin arbeitet. Ich frage sie, ob sie das Steinloch kennt. „Selbstverständlich“, sagt sie, „ich brauch nur zu meinem Fenster aus dem dritten Stock herausschauen“. P. Anton Weidelener